Erst Landwirtschaft, dann Militär, jetzt Wohnungen
3 Generationen Aldinger auf dem Burgholzhof in Stuttgart
1852 wurde der Endersbacher Rössleswirt und Bauer Johannes Aldinger, geb. 24.05.1805, als Pächter der Staatsdomäne
Burgholzhof auf der Anhöhe des Stuttgarter Vororts Bad Cannstatt eingesetzt. Er hatte in der Landwirtschaft einen
ausgezeichneten Ruf und wurde für sein hervorragendes Arbeiten mit mehreren Staatspreisen geehrt. In seiner Blütezeit
umfaßte der Burgholzhof 84 ha (= 200 acres) Land. 55 ha (= 140 acres) davon waren Ackerland, 6 ha (= 15 acres)
Weideland, 3,2 ha (= 8 acres) waren Weinberg und auf 1,5 ha (= 4 acres) standen ca. 2.200 Obstbäume. Zum Burgholzhof
gehörte ein großer Viehbestand, weshalb hauptsächlich Milch- und Fleischwirschaft betrieben wurde. Ab 1869 eröffnete
die Familie Aldinger ein beliebtes Höhenrestaurant für die Ausflügler von Stuttgart.
Der Sohn, August Friedrich Aldinger, geb. 13.06.1841, folgte dem Vater in dieser Aufgabe und wurde ebenfalls für seine
Erfolge mit hohen Auszeichnungen bedacht.
In dritter Generation führte Gustav Friedrich Aldinger, geb. 26.06.1876, die Arbeit fort. Das Ende des Burgholzhofes
zeichnete sich ab, nachdem 1927 der bis dahin auf dem Cannstatter Wasen, heute bekannt durch das Cannstatter Volksfest,
befindliche Exerzierplatz dorthin verlegt werden sollte.
1934 wurde dann auf dem Areal für die deutschen Soldaten des 2. Weltkrieges die Flandernkaserne gebaut und die Familie
Aldinger der 3. Generation nach 82jähriger erfolgreicher Pächterzeit entlassen.
Nachdem Deutschland den 2. Weltkrieg verloren hatte und die amerikanische Besatzungsmacht in Stuttgart stationiert
wurde, waren zeitweise bis zu 50.000 GI's gleichzeitig auf dem Burgholzhof stationiert. Erst nach 1989, nach dem Fall
der Berliner Mauer und mit dem damit verbundenen Rückzug der meisten Amerikaner aus Deutschland wurde das Gelände
der Stadt Stuttgart für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt. Noch heute befindet sich jedoch eine kleine
amerikanische Militärbasis dort und in einer kleinen Siedlung leben amerikanische Familien, die noch nicht
zurückgekehrt sind. Ihre Kinder werden in einer kleinen amerikanischen Schule auf dem Burgholzhof unterrichtet.
Der Sohn des letzten Pächters, Friedrich Gerhard Aldinger, geb. 12.04.1918, lebt mit seiner Frau am Rande des
Burgholzhofes mitten in seinen Weinbergen. Er erinnert sich an Schicksalsschläge der Familie. Nicht nur, daß der
Familie 1934 ohne Vorankündigung von den Machthabern des Dritten Reiches die Bagger zur Errichtung der Kasernen auf
den Burgholzhof geschickt wurden, er verlor auch noch ganz am Endes des Krieges seine zwei Brüder bei einem gezielten
Bombardement in Wien/österreich. Dorthin waren sie persönlich von Reichsmarschall Göring beordert worden, weil sie zu
einer ganz kleinen Gruppe von Spezialisten gehörten, die durch Kenntnisse der Aerodynamik bei Segelflugzeugen beim
Entwickeln neuer Waffensysteme besonders gefragt waren. Durch Spionage hatten die Amerikaner wohl davon erfahren und
das Gebäude in Wien bombardiert. Dabei fanden die Brüder gleichzeitig den Tod.
Stolz verweist der überlebende Bruder heute trotz dieser Ereignisse auf gute Freundschaft mit den Amerikanern, die er
in direkter Nachbarschaft auf dem Burgholzhof gepflegt hat. Das Höhenrestaurant hat er mit seiner Frau nach dem Ende
der Staatsdomäne noch jahrelang weiter betrieben und erst im Alter abgegeben. Es existiert bis zum heutigen Tag.
Ein Onkel von ihm, Johannes Gottlieb August Aldinger, geb. 22.09.1871, war ein begabter Kunstmaler und Dichter. Einige
seiner Werke zieren das Haus von Gerhard Aldinger, ebenso wie das Wappen der Aldinger vom Burgholzhof (Buch Seite 42,
oben rechts). Er hat auf dem Burgholzhof Geschichte erlebt, von der mustergültigen landwirtschaftlichen Staatsdomäne,
über die Soldaten der deutschen Wehrmacht, den GI's bis zu den Wohnungen, die heute auf dem Areal gebaut werden.
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