Eine Verbindung zwischen Bruno (Richard) Hauptmann, dem wegen Kidnapping am Baby von Charles Lindbergh Verurteilten und Exekutierten und der Aldinger-Familie!

Bruno Hauptmann setzte zum ersten mal an seinem 24. Geburtstag, dem 26. November 1923, Fuss auf amerikanischen Boden. Als blinder Passagier ueberquerte er den Ozean auf dem Segelschiff "George Washington", versteckt in einem Kohlenbunker und jede Nacht auftauchend um in den von der Wache zur Entsorgung auf das Deck gebrachten Muellbeuteln nach Nahrung zu suchen. Es war sein dritter Versuch in 5 Monaten, die Vereinigten Staaten zu erreichen. Beim ersten mal, im Juli, hatte er sich in einer Unterdeckkabine des deutschen Linienschiffs "Hannover" versteckt, wurde jedoch von Zollbeamten gefasst, als er versuchte, sich von Bord zu schleichen. Er gab sich das Pseudonym Karl Pellmeir und wurde nach einem kurzen Verhoer nach Deutschland zurueckgebracht. Bei seinem zweiten Versuch wurde er bei einer Hauptdurchsuchung des Schiffes gefangen genommen und trat, eingeschlossen ins Badezimmer, die Rueckreise an. Er entwischte zwei mal aus der verschlossenen Kabine und sprang schliesslich ueber Bord, um schwimmend Land zu erreichen, bevor das Schiff in Bremerhaven anlegte. Doch beim naechsten mal hatte Hauptmann Glueck. Ein Heizer, der auf ihn in seinem Versteck im Kohlenbunker gestossen war, plante in New York anzuheuern und bot an, ihm zu helfen, sich an Land zu schleichen. Der Heizer hatte die Adresse einer deutschen Familie namens Uhland in der Westlichen 82. Strasse und er und Hauptmann gingen von der Landung direkt dorthin. Jacob Uhland war bereit, den Handelsmatrosen fuer einige Tage aufzunehmen, wollte aber nichts mit dem ungepflegten, wie ein blinder Passagier aussehenden Hauptmann zu tun haben. Hauptmann sass in Uhlands Wohnzimmer und ueberlegte, wo er als naechstes hingehen sollte, als der 18-jaehrige Fred Aldinger hereinschaute, in der Hoffnung mit Uhland, einem Sammlerfreund, ein paar Briefmarken austauschen zu koennen. Aldingers Vater, ein Kriegsveteran mit einem Holzbein und harten Trinkgewohnheiten, hatte juengst seine Arbeit verloren und seine Mutter Lena suchte nach einem Untermieter, um ihren Verdienst als Waescherin aufzubessern. Aldinger sagte Hauptmann zu, dass er bei seiner Familie so lange umsonst wohnen koenne, bis er sein erstes Geld verdiente.

Am Anfang war Hauptmann der ideale Untermieter. Schon zwei Tage nachdem er eingezogen war, hatte er einen Job als Tellerwaescher in einem Restaurant nahe South Ferry und er verbrachte seine Abende mit dem Lesen eines englischen Grammatikbuches. Obwohl er nie fliessend Englisch sprechen oder schreiben lernen sollte, war Hauptmann ein intelligenter Bursche, der sich damit bruestete, taeglich die "New York Times" zu lesen, ganz im Gegensatz zu vielen Einwanderern, die ihre Nachrichten den deutschsprachigen Zeitungen oder den Boulevardblaettern entnahmen. Er spielte ausserdem Mandoline und benahm sich einwandfrei, indem er nie vergass, Lena mit ihren schweren Waschkoerben zu helfen, die sie bei ihren Kunden am Riverside Drive einsammelte.

Lena war gerade 40, also 10 Jahre juenger als ihr alkoholkranker Mann und bald war sie von dem sportlichen, bedacht sprechenden Untermieter, auf, wie sie es nannte, "so unbeschwerte Art und Weise", begeistert. Sie begann, ihn Richard oder Rick zu nennen, Namen, die er Bruno gegenueber vorzog, da sie amerikanischer klangen. Noch bevor drei Wochen vorueber waren hatte Rudolph Aldinger das Gefuehl, als ob seine Frau und der neue Untermieter sich ein wenig zu gut verstaenden. Eines Nachts, Mitte Dezember, kam Aldinger total betrunken nach Hause und beschuldigte die beiden, miteinander geschlafen zu haben. Waehrend Richard sich nur ungern mit den Faeusten verteidigte, beendete Lena die Auseinandersetzung, indem sie einen Stuhl ueber dem Kopf ihres Mannes zerbrach. Hauptmann zog in eine nahegelegene Pension und zwei Tage spaeter, waehrend Rudolph bei der Arbeit war, zogen Lena und ihre Soehne, die im Teenager-Alter waren, in eine neue Wohnung in der 117. Strasse. Gleich nach ihrem Einzug informierte sie Richard und lud ihn zum Weihnachtsessen ein. Er kam mit seinem ganzen mageren Besitz und zog ein.

Von nun an bereute Fred Aldinger, Hauptmann jemals in seine Wohnung eingeladen zu haben. Richard hatte Kontakt mit Albert Deibisch, einem seiner deutschen Landsmaenner, den er vor seinem zweiten Fluchtversuch in Bremerhaven kennengelernt hatte. Deibisch, der aus dem Mittelstand kam und einige Ersparnisse in die Staaten mitgebracht hatte, betrieb nun ein Stehcafé in der Lexington Avenue, bekannt unter dem Namen A.D. Coffee Pot. Fast jede Nacht sassen Deibisch und Hauptmann in Lena Aldingers Wohnung am Kuechentisch und ueberlegten sich, wie sie schnell reich werden konnten. Einer ihrer Plaene, an den Fred Aldinger sich teilweise noch erinnerte, betraf ein Rezept fuer Waescheseife, das sie anscheinend von einem alten Bekannten Hauptmanns, der auch aus Deutschland stammte und fuer Procter & Gamble arbeitete, erhalten hatten. Hauptmann und Deibisch waren ueberzeugt, sie koennten ein Rezept zur Herstellung von Seife von der gestohlenen Rezeptur ableiten, um selbst Seife von Haus zu Haus verkaufen zu koennen. Wie die meisten ihrer Ideen kam auch diese ueber das Planungsstadium nicht hinaus.

Lena hatte inzwischen begonnen, muetterliche Fuersorge fuer eine weitere, erst kuerzlich angekommene Einwandererin zu entwickeln, die als Dienstmaedchen fuer einen ihrer Waeschekunden am Riverside Drive arbeitete. Anna Schoeffler war neu in New York und kannte sich noch nicht so gut aus. Deshalb lud Lena sie eines Abends ins Kino ein und nahm sie danach auf einen Kaffee mit in die 117. Strasse. Als Anna an jenem Abend aufbrach, bat Hauptmann sie um ein Rendezvous und bald trafen sie sich fast jedes Wochenende heimlich.
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Anna wurde spaeter die Frau von Richard Bruno Hauptmann.


Quelle: Joyce C. Milton "Loss of Eden", Seite 307 und 308. Hingewiesen auf dieses Buch wurde von Nancy Aldinger aus Charleston, West Virginia, einer Urenkelin von Lena Aldinger. Sie schrieb: Was fuer eine traurige Wende das Leben von Rudolph und Lena Aldinger nahm, nachdem sie Bruno Hauptmann getroffen hatten, sah man an der Ehe, die darueber zerbrochen ist. 8 Jahre nachdem Bruno Hauptmann bei meinen Urgrosseltern Lena und Rudolph Aldinger gewohnt hatte, starb Rudolph im Altersheim in Welfare Island. Hauptmann kam wegen der Entfuehrung des Babys von Flugpionier Charles Lindbergh auf den elektrischen Stuhl.

Übersetzt aus dem Englischen von Till Aldinger

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